Polyneuropathie bei „Chilli“

Mit diesem Bericht möchten wir den Labrador-Rüden „Chilli“ vorstellen, den wir über einen langen Zeitraum begleitet haben und der uns sehr ans Herz gewachsen ist. Sein Kampfgeist und unbändiger Lebensmut haben uns nachhaltig beeindruckt, weshalb wir ihn auf diese Weise ehren möchten. Vorgestellt wurde er uns wegen einer rasch voranschreitenden Lähmung aller Gliedmaßen, die zu einer vollständigen Bewegungsunfähigkeit führte.

Es waren umfangreiche Test für die korrekte Diagnose erforderlich. Wie sich schließlich herausstellte, litt „Chilli“ an einer Nervenerkrankung, der sogenannten Polyneuropathie. Die Polyneuropathie ist eine Erkrankungen des peripheren Nervensystems, also der Nerven außerhalb des Gehirns und Rückenmarkes. Klinische Hauptsymptome sind Schwäche und Muskelschwund unterschiedlicher Ausprägung. Während sie sich bei der schwachen Verlaufsform mit einer unspezifischen Lahmheit und gelegentlichem Stolpern bemerkbar macht, führt sie in schwerwiegenden Fällen zu einer vollständigen Lähmung aller Gliedmaßen. Betroffene Patienten sind nicht mehr steh- oder gehfähig und weisen einen rapiden Rückgang der Muskulatur auf. In einigen Fällen kommt es zu Lähmungserscheinungen der Gesichtsmuskulatur mit Kau- und Schluckstörungen. Ist die Atemmuskulatur betroffen, kann ein plötzlicher Erstickungstod eintreten.
Im allgemeinen neurologischen Untersuchungsgang fallen vorrangig reduzierte oder fehlende Reflexe an allen vier Gliedmaßen auf. Manchmal sind die Ergebnisse nicht eindeutig, so dass eine Computertomographie und Untersuchung von Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) erforderlich werden können. Bleiben die Ergebnisse ohne besonderen Befund, bringen ggf. Elektromyographie (EMG) oder Nerv-/Muskelbiopsie mehr Aufschluss. Sie helfen bei der Identifizierung erkrankter Muskeln und Nerven oder der Unterscheidung zwischen entzündlichen und nicht-entzündlichen Erkrankungen. Bei einigen Rassen, wie z.B. Leonberger und Alaskan Malamute, handelt es sich um eine angeborene Erkrankung, und die Behandlungsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Anders jedoch verhält es sich bei der erworbenen Form. Sie tritt in jedem Alter auf und kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden. Sie kommt beispielsweise als Folge hormoneller Störungen, Autoimmunerkrankungen, Infektionen (z.B. Toxoplasmose und Neosporose), als Komplikation schwerer Allgemeinerkrankungen oder als Begleitsymptom von Tumorerkrankungen vor. Leider bleiben viele Fälle trotz intensiver Suche nach einer möglichen Ursache unklar. In diesen Fällen spricht man von der idiopathischen Polyneuropathie.

 

Auch bei Chilli waren einige Untersuchungen erforderlich, die uns letztlich zur richtigen Diagnose führten. Er litt unter einer besonders schweren Verlaufsform, die einen längeren stationären Aufenthalt mit intensiver Pflege erforderte. Überwachung der Atmung, Füttern und Tränken von Hand, weiche Lagerung mit regelmäßigem Wenden zur Vermeidung von Druckstellen und Kontrolle der Blasenfunktion stellen neben medikamenteller Unterstützung und Infusionstherapie einen wichtigen Aspekt der Therapie dar. Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Physiotherapie. Sie dient vor allem dazu, den rasch voranschreitenden Muskelschwund zu verhindern und die Patienten schrittweise zu mobilisieren. Unserer Erfahrung nach kann die Rekonvaleszenz zwischen Wochen und mehreren Monaten dauern. Ist die personalaufwendige Intensivpflege gewährleistet, ist die Erkrankung in vielen Fällen selbstlimitierend und hat somit eine relativ günstige Prognose. Chilli ist das Paradebeispiel dafür, dass sich Geduld und Hingabe am Ende durchaus bezahlt machen. Dank seiner Willensstärke und der Hingabe seiner Besitzer fand der Hund vollständig ins Leben zurück. Wir denken sehr gerne an ihn zurück und freuen uns, dass am Ende alles gut geworden ist.